Videoinstallation »Säulen«
Neben sechs Kurzdokumentationen und einem öffentlichen Filmscreening im Württembergischen Kunstverein Stuttgart wurde „Säulen“ bearbeitet in einer Videoinstallation, welche ebenfalls im Württembergischen Kunstverein Stuttgart ausgestellt wurde. Die Installation präsentiert den Film „Säulen“ im Loop (8:45 Minuten, 25fps, 1080p) als Beamerprojektion. Das Video transportiert bildlich und akustisch die Atmosphäre um die Travertinsäulen in Stuttgart. Gleichzeitig werden Aufnahmen des heutigen Teodor-Heuss-Platzes in Berlin eingespielt – der ursprüngliche Bestimmungsort der Travertinsäulen. Die Aufnahmen in Berlin werden bewusst nicht markiert und wirken wie eine Irritation innerhalb der industriellen Bildästhetik, welche entsteht bei der Dokumentation des Areals um die Säulen. Diese Irritation soll gerade bei Rezipient:innen, die die Geschichte der Travetinsäulen nicht kennen, einen Impuls auslösen eigene Nachforschungen zu dem Thema anzustellen.
Die Rezipient:innen sind jedoch nicht angewiesen auf eigene Nachforschungen. Der historische Hintergrund der Travertinsäulen wird durch eine beiliegende Publikation vermittelt. Frederike Lausch hat zu dieser Publikation beigetragen mit dem Essay „Die letzten drei Dias: „NS-Säulen Stuttgart“ – Max Bächer über Faschismus in der Architektur“. Das Essay ist inhaltlich angelehnt an ihr, im Jahr 2021 erschienenes, Buch „Faschismus und Architektur – Max Bächers Auseinandersetzung mit Albert Speer“. Die Ausstellungspublikation informiert darüber hinaus über den Standort der Travertinsäulen, um für Leserinnen und Lesern Anreize zu schaffen das Areal selbst zu entdecken. Auch verweist die Publikation auf ergänzende Inhalte, die bei cite-online.com einzusehen sind.
Parallel zu der Projektion sind sechs Kopfhörer installiert. Hier wird die Fragestellung des übergeordneten Projektes „Säulen“ auf akustischer Ebene transportiert: „Was ist ein Denkmal? Die Auseinandersetzung mit den Travertinsäulen als Fallbeispiel für die Reflexion um den Umgang mit ideologisch besetzten Denkmälern und Architektur“. Jeder Kopfhörer vermittelt Inhalte von jeweils sechs Interviews: Naemi Makiadi (Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland — 3:04 Minuten), Dr. Ing. Martin Hahn (Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Referatsleitung: Bau- und Kunstdenkmalpflege: Inventarisation — 3:29 Minuten), Dr. Frederike Lausch (Technische Universität Darmstadt, Fachgebiet Architektur- und Kunstgeschichte, Mitglied beim CCSA — center for critical studies in architecture — 3:50 Minuten), Nadine Seidu (Stadt Stuttgart, Stabsstelle Erinnerungskultur 4:01 Minuten), Prof. Dr. phil. Habil. Klaus Jan Philipp (Universität Stuttgart, Leiter des Instituts für Architekturgeschichte — 4:15 Minuten), Univ.-Prof. Dr. Phil. Stephan Trüby (Universität Stuttgart, Leiter des Instituts für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen — 5:13 Minuten).
Innerhalb der Installation werden Travertinfragmente genutzt sowohl als Aufhängevorrichtung für die Kopfhörer als auch zur Präsentationsfläche für die Publikationen. Das Format der Travertinfragmente bei den Kopfhörern wird erweitert durch Dachlattenkonstruktionen, die neben ihrer Form mit deren Ästhetik den industriellen Charakter eines Steinbruchs vermitteln. Diese Travertinfragmente ragen bewusst in die Projektion. Dadurch werden diese Selbst zur Projektionsfläche. Die Kombination aus der fossilen Maserung und den facettenhaften Projektionen schafft eine ästhetisch-assoziative Erweiterung des Videoloops. Der Schattenwurf der langen und schmalen Travertinsteine auf die primäre Projektionsfläche unterstreicht deren Stilisierung als nachempfundene Säulen. Ebenso werden die Schatten der Rezipient:innen auf die Projektion geworfen. Durch ein Schattenpiel aus der Interaktion der Rezipient:innen und den nachgebauten Säulen entsteht auf digitaler Ebene eine Art Präsenzgefühl bei den Travertinsäulen.
Die Publikationen werden auf Travertinplatten, die auf einer Unterkonstruktion aus Dachlatte liegen, präsentiert. Sowohl diese Travertinplatten als auch die langen Travertinfragmente wurden gefertigt im ehemaligen Lauster Steinbruch in Stuttgart. Die in der Installation verwendeten Travertingesteine blieben übrig bei dem Abriss eines Hauses in der Lembachstraße in Stuttgart. Dies bedeutet, dass genau diese Fragmente für die Fassadenverschönerung von Gebäuden in der Kochenhofsiedlung in Stuttgart verwendet wurden. Hierbei handelt es sich um eine Wohnsiedlung geplant und erbaut von Paul Schmitthenner – Architekt und damaliges NSDAP Mitglied. Das erklärte Ziel der 1933 fertiggestellten Kochenhofsiedlung war es, ein bewusst traditionalistisches Gegenmodell zur nahe gelegenen, 1927 erbauten Weißenhofsiedlung zu schaffen. Die Materialität der Installation steht somit im engen Verhältnis zu deren Inhalt.
Zusammengefasst stellt die Videoinstallation „Säulen“ eine Trias aus drei medialen Ebenen dar:
Räumliches und körperliches Erleben von filmischen und akustischen Inhalten
Inhaltliche Einführung in das Thema durch ein analoges wissenschaftliches Printerzeugnis
Möglichkeit der inhaltlichen Verdichtung durch Filmbeiträge auf cite-online.com
Die Videoinstallation „Säulen“ präsentiert sich somit als ein innovatives Informationssystem, in welchem sich digitale und analoge Medien sinnvoll ergänzen.
- Ausstellungsdesign
- Marvin Unger
- Film und Konzeption
- Martin Mannweiler
- Gestaltung und Konzeption
- Jana Rzehak
- Mark Julien Hahn